Wirkungswahrscheinlichkeit

published on 26 September 2024

Ein neuer Ansatz zur Modellierung komplexer Effekte

In der traditionellen Wahrscheinlichkeitsrechnung betrachten wir die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses in der Regel als positiv, das heißt, je näher eine Wahrscheinlichkeit bei 1 liegt, desto wahrscheinlicher ist das Eintreten eines bestimmten Effekts. Negative Wahrscheinlichkeiten werden in der klassischen Theorie kaum berücksichtigt. Doch was, wenn wir die komplexen Wechselwirkungen von positiven und negativen Effekten realistischer modellieren wollen?

Hier setzt meine Theorie der Wirkungswahrscheinlichkeit an. Dieser Ansatz, der auf der Multiplikation von positiven und negativen Wahrscheinlichkeiten basiert, eröffnet eine völlig neue Perspektive auf die Modellierung von gleichzeitigen und interagierenden Effekten in komplexen Systemen.

1. Negative Wahrscheinlichkeiten: Erweiterung des Wahrscheinlichkeitsraums

Der Ausgangspunkt dieser Theorie liegt in der Quantenmechanik, wo negative Wahrscheinlichkeiten als mathematisches Werkzeug verwendet werden, um überlagerte Zustände und nicht-klassische Phänomene zu beschreiben. In diesem Modell wird das klassische Intervall für Wahrscheinlichkeiten [0,1][0,1] auf den Bereich [-1, 1] erweitert. Dies ermöglicht die Modellierung von unerwünschten Effekten oder Nebenwirkungen in einem System, die gleichzeitig mit erwünschten Effekten auftreten können.

In der Sozialforschung oder Medizin können wir dies nutzen, um gleichzeitige positive und negative Wirkungenpräziser darzustellen. Dabei beschreibt eine positive Wahrscheinlichkeit WpWp​ die Wahrscheinlichkeit eines erwünschten Effekts (z. B. Heilung), während eine negative Wahrscheinlichkeit WnWn​ die Wahrscheinlichkeit eines unerwünschten Effekts (z. B. Nebenwirkungen) darstellt.

2. Multiplikation statt Addition: Modellierung von Wechselwirkungen

Der wesentliche Paradigmenwechsel in meiner Theorie besteht darin, dass positive und negative Wahrscheinlichkeiten nicht additiv, sondern multiplikativ verknüpft werden. In klassischen Modellen wird oft davon ausgegangen, dass positive und negative Effekte separat behandelt und zu einem „Nettoeffekt“ addiert werden können. Dies vernachlässigt jedoch die Realität, dass positive und negative Effekte gleichzeitig auftreten und wechselseitig interagieren.

Durch die Multiplikation der positiven und negativen Wahrscheinlichkeiten kann die Wechselwirkung dieser Effekte besser modelliert werden:

W=Wp⋅Wn

Diese Formel beschreibt die gleichzeitige Existenz und Interaktion von positiven und negativen Effekten. Dadurch entsteht eine neue Gesamtwirkung, die die Wechselwirkung der beiden Effekte aufzeigt.

Abb. 1: Darstellung der Wechselwirkungen zwischen positiven und negativen Normalverteilungen darstellen. Gezeigt werden die Addition (violett) und Multiplikation (grün) der Verteilungen, bei unterschiedlichen Kombinationen von normalen und reduzierten Verteilungen.
Abb. 1: Darstellung der Wechselwirkungen zwischen positiven und negativen Normalverteilungen darstellen. Gezeigt werden die Addition (violett) und Multiplikation (grün) der Verteilungen, bei unterschiedlichen Kombinationen von normalen und reduzierten Verteilungen.

Das Bild zeigt drei Diagramme, die die Wechselwirkungen von positiven und negativen Normalverteilungen in Form von Addition und Multiplikation darstellen.

  1. Erstes Diagramm (oben): Normale positive und normale negative Verteilung. Die blaue Kurve stellt die positive Normalverteilung dar. Die rote gestrichelte Kurve zeigt die negative Normalverteilung.. Die violette Kurve visualisiert die Addition der beiden Verteilungen.. Die grüne Kurve zeigt das Ergebnis der Multiplikation der beiden Verteilungen.
  2. Zweites Diagramm (Mitte): Reduzierte positive und normale negative Verteilung.. Die blaue Kurve stellt eine reduzierte positive Normalverteilung dar.. Die rote gestrichelte Kurve zeigt die normale negative Verteilung.. Die violette Kurve zeigt das Ergebnis der Addition, während die grüne Kurve die Multiplikation darstellt.
  3. Drittes Diagramm (unten): Normale positive und reduzierte negative Verteilung.. Die blaue Kurve repräsentiert die normale positive Verteilung.. Die rote gestrichelte Kurve zeigt eine reduzierte negative Normalverteilung.. Die violette Kurve steht für die Addition der Verteilungen und die grüne Kurve für die Multiplikation.

In jedem Diagramm werden die Wechselwirkungen zwischen positiven und negativen Wahrscheinlichkeiten dargestellt und zeigen die unterschiedlichen Ergebnisse von Addition und Multiplikation.

3. Systemtheoretische Untermauerung: Emergenz und Rückkopplung

Um diese neue Art der Wahrscheinlichkeitsrechnung theoretisch zu fundieren, bediene ich mich zweier zentraler Konzepte aus der Systemtheorie: Emergenz und Rückkopplung.

  • Emergenz beschreibt das Auftreten von neuen Eigenschaften oder Verhaltensmustern, die nicht durch die Einzelkomponenten eines Systems allein erklärbar sind, sondern durch derenInteraktion. In derWirkungswahrscheinlichkeitzeigt sich Emergenz dadurch, dass die Multiplikation von positiven und negativen Wahrscheinlichkeiten zu einerneuen Gesamtwirkungführt, die durch die Wechselwirkung der beiden entsteht.Beispiel: In der Medizin könnten sowohl die Heilung als auch die Nebenwirkungen eines Medikaments gleichzeitig auftreten. Die emergente Wirkung ist das Gesamtergebnis, das durch die Interaktion dieser beiden Effekte bestimmt wird und weder rein positiv noch rein negativ ist.
  • Rückkopplung beschreibt den Prozess, bei dem dieErgebnisse eines Systemswieder auf das System selbst zurückwirken. In derWirkungswahrscheinlichkeitbedeutet dies, dass dasErgebnisder Wechselwirkung von positiven und negativen Wahrscheinlichkeiten das Verständnis dereinzelnen Wahrscheinlichkeitenbeeinflusst. Dieses Feedback führt zu einer dynamischenNeudefinitionder Wahrscheinlichkeiten, die auf das Gesamtergebnis rückwirken.Beispiel: Wenn wir die Gesamtwirkung eines Medikaments kennen (z. B. die multiplikative Wechselwirkung zwischen Heilung und Nebenwirkungen), können wir die Interpretation der Heilung und Nebenwirkungen anpassen und auf zukünftige Entscheidungen über die Dosierung oder Therapieoptionen zurückführen.

4. Anwendung in der Medizin: Ein konkretes Beispiel

Betrachten wir ein Medikament, das eine positive Wahrscheinlichkeit von Wp=0.7Wp​=0.7 für die Heilung und eine negative Wahrscheinlichkeit von Wn=−0.3Wn​=−0.3 für Nebenwirkungen hat. In einem klassischen Modell würden diese Effekte oft separat betrachtet, indem die positiven Wirkungen als Hauptziel und die negativen als „Nebenwirkung“ gesehen werden.

Doch durch die Multiplikation dieser Wahrscheinlichkeiten:

W=0.7⋅(−0.3)=−0.21

zeigt sich, dass die Nebenwirkungen die Heilwirkung signifikant beeinflussen. Dies bedeutet nicht, dass die Heilwirkung aufgehoben wird, sondern dass die Wechselwirkung zwischen Heilung und Nebenwirkungen das Gesamtergebnis prägt. Diese emergente Wirkung zeigt uns, wie die beiden Effekte gleichzeitig existieren und sich gegenseitig beeinflussen.

5. Neue Interpretationsdimension: Verabschiedung von linearen Denkmustern

Diese Theorie zwingt uns dazu, das klassische lineare Denken von „positiv = gut“ und „negativ = schlecht“ zu überdenken. Negative Wahrscheinlichkeiten bedeuten in diesem Modell nicht mehr zwangsläufig „schlecht“, sondern sind Teil einer komplexen Dynamik von positiven und negativen Effekten, die zusammen das Gesamtergebnis bestimmen.

Negative Werte zeigen an, dass negative Effekte ins Gewicht fallen, ohne jedoch die positiven Effekte vollständig zu neutralisieren. Diese neue Interpretationsdimension fordert uns auf, komplexe Wechselwirkungen zu akzeptieren und zu verstehen, dass positive und negative Effekte in realen Systemen oft gleichzeitig existieren und sich wechselseitig verstärken oder abschwächen.

6. Fazit: Eine neue Perspektive auf komplexe Systeme

Die Theorie der Wirkungswahrscheinlichkeit bietet eine neue und realistischere Perspektive auf die Modellierung komplexer Systeme, sei es in der Medizin, der Wirtschaft oder der Sozialforschung. Durch die Multiplikation von positiven und negativen Wahrscheinlichkeiten können wir die Wechselwirkungen dieser Effekte präzise abbilden und besser verstehen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

Dieser Ansatz eröffnet uns nicht nur eine tiefere Analyse komplexer Wirkungen, sondern auch neue Möglichkeiten, wie wir Entscheidungen treffen und Risiken sowie Chancen abwägen können. In der Medizin könnte dies beispielsweise bedeuten, dass Therapieentscheidungen besser fundiert sind, da sowohl die Heilung als auch die Nebenwirkungen in ihrer Wechselwirkung betrachtet werden.

Mit der Theorie der Wirkungswahrscheinlichkeit bewegen wir uns in Richtung einer dynamischen und systemorientierten Sichtweise, die uns hilft, die komplexe Realität von gleichzeitigen positiven und negativen Effekten zu verstehen und zu modellieren.

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